Trinken, scrollen, snacken & was in Wahrheit hinter diesen Mustern steckt
Im Transkript mitlesen:
Trinken, weil es schmeckt, kiffen, weil es so chillig ist, scrollen, weil es so interessant ist. Jaja, erzähl dir diese Lügen, verarsch dich gerne weiter. Du hast deine Kids relativ spät bekommen? Du hast keinen Bock auf Perfektionswahn? Du willst trotz Schlafmangel und dem alltäglichen Mental Overload trotzdem deine Themen angucken? Konflikte mit deinen Liebsten am allerliebsten immer friedvoll lösen? Und bei all dem auch noch den Wechseljahren den Mittelfinger zeigen? Yes, ich feier dich. Du bist hier sowas von richtig.
Warum wir nicht „aus Geschmack“ konsumieren
Wir greifen nicht zum Glas Wein, weil wir Durst haben. Wir greifen auch nicht zur Flasche Bier, weil es schmeckt. Oder zum Prosecco. Darüber haben wir ja in Folge 10 schon gesprochen. Wir scrollen auch nicht durch Instagram, weil wir so neugierig auf die neuesten Katzenvideos sind. und wir kiffen auch nicht, weil das Gras das neue Superfood ist. Tun wir nicht. Wir reden uns das ein. Wir reden uns ein, dass wir aus total nachvollziehbaren, wichtigen, richtigen, guten Gründen das tun, was wir tun, damit wir uns nicht so schlecht fühlen. Das ist letztendlich eine Ausrede für unser Gehirn. Wir tricksen uns selber aus. Man kann auch sagen, es ist Selbstsabotage oder klassische Selbstverarsche, nenn es wie du magst.
Unter der Oberfläche: Bedürfnisse
Die Frage ist jetzt aber, okay, warum tun wir das aber? Wir tun es, weil etwas tiefer liegt, weil etwas darunter liegt, unter diesem Verlangen nach diesen dysfunktionalen Verhaltensweisen, die wir uns antrainiert haben. Darunter liegt ein Bedürfnis. Ein Bedürfnis haben wir alle Menschen, also nicht nur eins, sondern mehrere. Darüber reden wir auch gleich noch. Es geht darum, dass wir Bedürfnisse haben, die nicht befriedigt sind. Bedürfnisse, die wir vielleicht auch schon gar nicht mehr so richtig wahrnehmen. Uns ist gar nicht bewusst, dass wir sie überhaupt haben. Vielleicht ist es ein Bedürfnis nach Nähe oder nach Ruhe oder nach Anerkennung. Ein Bedürfnis, einfach mal nach einer echten Pause ohne schlechtes Gewissen. Ein Bedürfnis, mal acht Stunden am Stück zu schlafen. Oder sich zu entspannen, ohne das Gefühl zu haben, die ganze Zeit die To-Do-Liste im Kopf abzuhaken, weil dies muss noch gemacht werden, das muss noch gemacht werden, jenes muss noch gemacht werden. Vielleicht sehen wir uns nach Verständnis, dass jemand auch nur mal zu uns sagt, ich sehe dich. Ich sehe dich. Das hat auch zu tun mit Verbundenheit. Ja, sich mit jemandem verbunden zu fühlen, kann auch ein Bedürfnis sein. Oder Zugehörigkeit, dazu zu gehören. Eine Rolle in einem sozialen Gefüge zu spielen, die relevant ist. Und darüber möchte ich heute sprechen, über Bedürfnisse. Und zwar ganz offen jenseits von Scham. Bedürfnisse haben auch was mit dem Thema Scham zu tun. Scham ist die soziale Emotion, die einen sehr trennenden Charakter hat. Also wir denken, wir sind allein mit unseren Mustern, wir trauen uns nicht drüber zu sprechen, wir schämen uns, aber das Gegenteil ist der Fall. Scham hält uns im Versteckspiel und genau darin liegt eigentlich die Macht, weil wenn wir aus dieser Ecke heraustreten und uns trauen drüber zu sprechen, dann zerfällt die Scham sozusagen, sie fällt in sich zusammen und dann öffnet sich etwas Wunderbares, was dazu beitragen kann, dass unser komplettes Leben sich verändert.
Erste Schritte: Bewusst wahrnehmen (ohne Selbstverurteilung)
Also, Bedürfnisse. Viele von uns erfahren zum allerersten Mal, wenn sie sich mit ihren ungesunden Mustern beschäftigen, dass hinter diesen Mustern Bedürfnisse stecken. Und das Wissen darüber ist schon mal ein erster Schritt, aber es reicht natürlich nicht. Nur darüber Bescheid zu wissen, ach so, ich trinke jeden Abend ein Glas Wein, weil ich ein Bedürfnis ignoriere, sozusagen, hilft mir ja nicht. Wichtig ist, dass wir im ersten Schritt erstmal nur das wahrnehmen, dass wir in die Selbstbeobachtung kommen und uns nicht dann auch sofort selbst verurteilen und wieder auf uns draufhauen und sagen, kriegst du halt nicht hin hier, du bist halt auch zu blöd, sondern neugierig zu sein, liebevoll neugierig zu sein. Dass wir anfangen, in dem Moment, wo wir das Muster bedienen wollen, was wir uns so antrainiert haben, dass wir uns kurz den Moment gönnen, zu sagen, was wollte ich gerade, beziehungsweise wie fühle ich mich gerade in dem Moment, als ich zum Handy greifen wollte, als ich mir das Glas Wein einschenken wollte, als ich den Kühlschrank aufmachen wollte. Was ist es, das ich gefühlt habe, beziehungsweise was ist es, was in dem Moment gefehlt hat?
Mikro-Übung: Der eine Atemzug & Reminder
Und das kann man machen mit so einer kleinen Mini-Übung. Man kann sich an diese Mini-Übung auch erinnern, weil wir neigen ja dazu, im Trott unseres Alltags Dinge zwar zu wissen, aber sie trotzdem nicht umzusetzen. Man kann sich Post-its hinhängen, zum Beispiel an die Weinflasche kleben oder an den Kühlschrank, an die Nashi-Schublade oder bei uns ist es ein Nashi-Schrank oder auch ans Handy. Man kann sich einen Sperrbildschirm einrichten am Handy, der daran erinnert und der dir vielleicht einfach nur sagt, atme. Und dass du in dem Moment dir wirklich ganz bewusst diesen Moment nimmst, einmal einatmest, einmal ausatmest, ganz bewusst einen einzigen Atemzug, mehr ist es nicht. Sich diesen Atemzug zu gönnen, um in sich hineinzuspüren und zu gucken, ob man rankommt an das, was da drunter liegt. Warum habe ich gerade das Gefühl, dass ich Instagram öffnen müsste? Warum habe ich gerade das Gefühl, dass ich ein Stück Schokolade brauche? Warum habe ich gerade das Gefühl, ich brauche ein Glas Wein? Ist es das Gefühl, allein zu sein? Ist es ein Gefühl von Einsamkeit in deinem Körper? Ist es vielleicht eine Wut oder boah, alles gerade viel zu viel, Überforderung? Ist es eine allgemeine deprimierte Stimmung, in der du dich befindest? Allen anderen geht es ja besser, aber bei mir ist ja immer alles blablabla. Und manchmal reicht diese Erkenntnis, dieses Bewusstwerden, um dann anders zu reagieren. Um diese gelernten Muster, die wir eigentlich nachgehen wollten in dem Moment, um das zu durchbrechen. und eben nicht aus diesem unerfüllten Bedürfnis heraus, die Tüte Chips zu essen, die Tafel Schokolade wegzumachen, den Piccolo zu trinken und dann noch einen zweiten hinterher oder den Kopf in irgendeinem Feed auszumachen.
Warum es sich „gut“ anfühlt: Dopamin
Ja, also dieses Bewusstwerden, diese kleine Minisekunde, kurz mal drüber nachdenken, bevor man in diesen Automatismus fällt und das macht, wo du ja, sonst wärst du wahrscheinlich nicht hier würdest du es dir nicht anhören, das Gefühl hast, da ist irgendwas, was du immer wieder machst, was sich eigentlich nicht mehr gut anfühlt. Und diese Muster haben sich ja ausgebildet, weil sie sich gut anfühlen. Sonst würden wir das alles gar nicht machen. Es ist ja diese Dopamin… Naja, Lüge ist vielleicht nicht das richtige Wort, weil dass wir Dopamin haben, dass Dopamin was Tolles ist eigentlich und auch macht, dass wir uns gut fühlen, Das ist ja so. Wir haben eben nur angefangen, unser Belohnungssystem, unser Dopamin-Belohnungs-Gas-Pedal auszutricksen, dass es eben nicht mehr durch normale, aus uns heraus erlebte Situationen entsteht, sondern dass wir sozusagen eine Zündschnur haben, mit der das Ganze schneller funktioniert. aber eben dann nur kurzfristig, nicht nachhaltig bleibt, sondern schnell wieder weg ist und wir dann auch schnell wieder für Nachschub sorgen müssen, um in diesem Dopamin-Kick zu bleiben. Und diese Dopamin-Kicks, diese Dopamin-Lüge dann letztendlich, die triggern wir immer wieder an durch Schokolade oder Chips oder Alkohol oder Social Media, gerade Social Media. Aktuell gerade wird das Thema TikTok-Kurzvideos ja auch diskutiert. Jens Spahn hat darüber gesprochen, Sarah Bussetti hat darüber gesprochen, dass TikTok verglichen wird mit Heroin. Es ist einfach diese Kurzvideos, die machen hochgradig süchtig. Und Sucht ist immer verbunden mit unserem Belohnungssystem mit Dopamin. Und wir brauchen eben natürliche Trigger. Wir dürfen wieder lernen, uns von diesen schnellen Kicks zu verabschieden und durch natürliche Trigger unseren Dopaminausstoß in Gange zu setzen. Durch Bewegung, durch Musik, durch Lernen, durch Erfolgserlebnisse. Das Problem ist eben, dass dieses ganze Social Media, das Alkohol, das Zucker, man kann es bezeichnen als Superstimuli, Superdopamin-Stimuli mit mini kurzen Kicks ohne nachhaltige Sättigung. Dadurch, dass die aber verfügbar sind, verfügbar sind, verfügbar sind, ist es letztendlich egal, dass es nicht nachhaltig ist, weil dann mache ich eben weiter. Und das ist eben das Gefährliche, weil die Kicks eigentlich immer kürzer werden, wir immer mehr von dem brauchen und unser Leben dann den Bach runter geht.
Das Ratten-Experiment (Dopamin in Aktion)
Ich weiß nicht, ob du mal von dem Ratten-Experiment gehört hast. Ich finde das sehr beeindruckend und ich erzähle von diesem Experiment gerne, um nochmal greifbarer verständlich zu machen, was dieses Dopamin-Belohnungssystem wirklich bedeutet, was es macht. Also, es gab ein Experiment, das ist schon viele Jahre her, dass das gemacht wurde, irgendwann in den 50er Jahren im letzten Jahrhundert, also um 1954, glaube ich, war es. Und da haben, das war ein Tierexperiment, halte ich jetzt auch nicht für wahnsinnig toll, aber es macht es so anschaulich, da wurden Ratten Dioden in den Kopf gepflanzt zur Dopaminstimulierung. Also da konnte das Dopamin über einen elektrischen Impuls angeregt werden. Und diesen elektrischen Impuls konnten die Ratten sich selber geben, indem sie auf einen bestimmten, auf so einen kleinen Schalter getippt haben in ihrem Käfig. Und das wurde den Ratten gezeigt, dass dieses Tippberühren dieses Schalters dazu führt, dass durch diese Elektrode im Gehirn Dopamin ausgeschüttet wurde. Und, lange Rede, kurzer Sinn, was am Ende passiert ist, ist, dass die Ratten verhungert sind. Die sind nicht mehr an ihr Futter gegangen, die haben das Essen vernachlässigt, weil sie die ganze Zeit damit beschäftigt waren, sich einen Dopamin-Kick nach dem nächsten zu verpassen. Und das macht nochmal sehr eindrücklich klar, wie krass Dopamin ist und wie gefährlich es ist, wenn wir Dopamin durch diese Stimuli von außen anträgern. Ich glaube, das ist sehr verständlich. Und es macht auch nochmal klar, warum das Aufhören, ja, lass es doch einfach bleiben, leg dein Handy doch einfach weg, trink doch einfach nicht dein Glas Wein. Wo ist denn das Problem? Das Problem ist eben, dass es keine Willensstärke braucht, um einfach damit aufzuhören, sondern dass es konditionierte Schleifen sind, dass diese Dopaminausschüttung so immens stark ist, dass wir dem oft einfach ausgeliefert sind. Und da dürfen wir liebevoll mit uns sein, verständnisvoll, weil sich dafür dann auch noch auszuschimpfen, dass man es ja wieder nicht geschafft hat, keine Schokolade zu essen, hilft uns dann erstmal auch nicht weiter. Und ich glaube, jeder von euch kennt das. Wir nehmen uns vor, bestimmte Dinge nicht zu tun oder zu tun. Wir nehmen uns vor, nur ganz kurz einmal ins Handy zu gucken und zack, ist eine halbe Stunde rum. Oder wir nehmen uns vor, auf der Party kein Alkohol zu trinken und dann ist es so gesellig und so nett und dann kommt der beste Freund und sagt, hier, komm, eins kannst du doch und dann trinkst du eins und dann weißt du schon, wenn du eins getrunken hast, dann Feierabend. Es geht eine Gefahr davon aus, weil Dopamin nicht zu unterschätzen ist. Es ist Dopamin in Aktion. Unser Gehirn denkt, yes, Belohnung, Belohnung, Belohnung, Belohnung. Und bei Social Media kommt dann eben auch noch FOMO dazu, also the fear of missing out, dass wir Angst haben, wenn wir das Handy jetzt weglegen. Es könnte ja das nächste Video sein, was so weltverändernd für uns ist, was wir sehen müssen, um was auch immer. Aber dieses Gefühl wird uns ja über Social Media auch noch sehr viel mehr vermittelt, dass wenn wir es jetzt weglegen, wenn wir jetzt nicht weitergucken, dann verpassen wir was. Und das macht es eben dann auch nochmal doppelt schwer, das zu tun.
Grundbedürfnisse nach Maslow & Grawe
Zurück zu unseren Bedürfnissen, über die wir reden wollten. Die sind ja da. Also alle Menschen haben Bedürfnisse. Und es ist leider so, dass wir oft den Bezug zu ihnen verloren haben, die Verbindung verloren haben, weil wir eben in unserer schnelllebigen Welt wenig Zeit haben, dass wir uns wirklich damit auseinandersetzen können. Und ich mag einmal mit euch die Bedürfnisse durchgehen, die wir haben und euch auch einmal zeigen, was das Problem mit Nicht-Erfüllen dieser Bedürfnisse ist. Es gibt einmal die physiologischen Bedürfnisse, das sind die lebenserhaltenden Bedürfnisse, das sind die Sachen, die wir machen müssen, um ganz basic am Leben zu bleiben. Das ist Essen, das ist Trinken, das ist Schlafen und das ist Atmen. Das sichert unser Überleben. Ohne die geht es nicht. aber auch hier schon also das sind Sachen, die wir ja meistens irgendwie halt machen, weil sie lebenserhaltend sind, aber wenn wir zu wenig schlafen, wenn wir essen das uns nicht gut tut, wenn wir dehydrieren, also zu wenig trinken, dann kratzt es an unserem Wohlbefinden, es kann Stress verursachen, weil es uns dann halt nicht gut geht und dann kann es sein, dass wir Strategien entwickeln, die uns vorgaukeln, dass es uns damit dann besser gehen würde. Und dann passiert dieses dysfunktionale Muster. Wir entwickeln ein Kontrollmuster, das auf Dauer nicht gut ist, weil wir vielleicht eigentlich nur vernünftig schlafen müssten oder vernünftig essen müssten. Das zweite ist das Sicherheitsbedürfnis oder die Sicherheitsbedürfnisse sind ein paar mehr. Es geht darum, dass wir uns nach Schutz sehen, nach Stabilität, nach Ordnung, nach Arbeit und Einkommen. Und gerade Einkommen ist so ein Punkt, wenn wir Geldprobleme haben, Existenzängste, wenn uns bevorsteht, dass wir vielleicht unsere Wohnung, unser Haus verlieren könnten, dann ist das etwas, was Gefühle hervorruft. Also Angst ist ein Hauptgefühl, was daraus entsteht. Oder es muss ja gar nicht Angst vor Obdachlosigkeit sein. Es geht ja auch weniger dramatisch, wenn wir zum Beispiel unserem Kind seinen Herzensgeburtstagswunsch nicht erfüllen können. Dann fühlen wir uns schlecht. Also ein Bedürfnis, was nicht erfüllt ist, führt zu einem Gefühl, zu einer Emotion, die aufsteigt. aufsteigt und dann fangen wir an, dieses Gefühl, Angst zum Beispiel in diesem Fall, wenn es um Sicherheitsbedürfnisse geht, zu kompensieren, indem wir sagen, okay, rein in Social Media, einmal kurz mal nicht mehr dran denken. Soziale Bedürfnisse, Liebe, Zugehörigkeit, Freundschaft, ja, ich glaube, das ist klar, wenn das nicht gegeben ist, dann fühlen wir uns einsam, dann fühlen wir uns alleine, dann ist der beste Freund gerne mal die Weinflasche. Dann gibt es die Wertschätzungsbedürfnisse, da geht es um Anerkennung, um Status, um Selbstwert. Auch das ist etwas, was wir alle durch die Bank weg kennen. Ich bin es nicht wert, ich bin nicht liebenswert, alle anderen haben XYZ, nur bei mir klappt es nicht, ich bin zu doof, ich kann nichts, was mache ich dann? Ach komm, hier Schokolade, dann fühle ich mich kurzzeitig ein bisschen besser. Und das fünfte aus dieser Bedürfnispyramide nach Maslow, so heißt sie, die Maslowsche Bedürfnispyramide, ist die Selbstverwirklichung. Da geht es um die Entfaltung der eigenen Talente, der Kreativität, dem Sinn des Lebens. Letztendlich oft sind es die Bedürfnisse darunter, die vermehrt dazu führen, dass wir dysfunktionale Muster und Verhaltensweisen entwickeln, weil wir oft, wenn wir den Bezug zu unseren Bedürfnissen, zu unseren Emotionen und Gefühlen gar nicht haben, kommen wir bis zur Selbstverwirklichung oft gar nicht hin. Das sind die allgemein menschlichen Bedürfnisse nach Maslow halt. Und dann gibt es aber auch noch eine andere Bedürfnispyramide. Das sind die psychologischen Grundbedürfnisse für die psychische Gesundheit nach Klaus Grawe. Und da geht es um Bindung, Bedürfnis nach Nähe, nach Sicherheit, nach sozialem Rückhalt. Es geht um Orientierung und Kontrolle, also die Welt verstehen, die Welt auch ein Stück weit vielleicht vorhersagen können, beeinflussen können. Es geht um die Selbstwerterhöhung, also auch Anerkennung, Wertschätzung, Selbstachtung. Ihr seht schon, das ist ähnlich zu der Maslow’schen Bedürfnispyramide. Und das vierte in dieser Pyramide ist der Lustgewinn oder die Unlustvermeidung, dass es darum geht, dass wir ein Leben in Freude leben wollen, in Genuss, ohne Schmerz. Dass wir Schmerz vermeiden, dass wir Motivation erleben. Und das sind eben beides Modelle über unsere Grundbedürfnisse, die sind direkt mit unserer psychischen Gesundheit verknüpft. Und psychische Erkrankungen entstehen jetzt, wenn diese Grundbedürfnisse dauerhaft nicht beachtet werden, blockiert werden. Und das Ausbilden von Kontrollmustern, weil jetzt Bedürfnisse nicht erfüllt wurden oder werden, das ist ja wie eine Krankheit. Beziehungsweise es kann auf Dauer auch tatsächlich zu ernsthaften Problemen führen. Also bei Alkohol ist uns das allen klar, der Übergang zum Alkoholismus ist relativ fließend. Beim Essen ist uns das auch klar, jeden Abend eine Tüte Chips oder eine Tafel Schokolade wird nicht dazu führen, dass wir gesünder sind und dass wir unser Gewicht halten. Social Media, auch da besteht die Gefahr in eine Sucht zu rutschen oder durch das reine Nutzen von Social Media gibt es Probleme mit Gelenken, mit dem Hals-Nacken-Bereich. Also gesundheitliche Probleme treten auf, wenn unsere Grundbedürfnisse dauerhaft ignoriert werden.
Normalisierung & Generationenprägung
Und wir haben das in der letzten Folge schon ausführlich besprochen. Es gibt jetzt so eine Normalisierung. Zum Beispiel, wenn wir nochmal auf Alkohol gucken, diese Meme-Kultur von Mami Juice oder Mama braucht Wein. Ich habe Feierabend, ich muss mir ein Glas Wein einschenken und dann sieht man eine Mama mit so einem überdimensionalen Weinglas, wo fünf Flaschen reinpassen und alle finden es witzig. Es ist aber eigentlich ein Hilferuf, ja. Das ist Alkohol als Selfcare getarnt. Dabei leben allein in Deutschland 9,5 Millionen Erwachsene, die riskant trinken. Aber niemand gibt es zu. Ja, Alkoholproblem, hab ich doch nicht, ich trinke gar nicht so viel. Das sind die anderen, die ein Problem damit haben. Gucken wir aber mal genauer hin. Scrollen zum Beispiel zum Wochenende hin oder wenn Ferien anstehen, mal durch unseren WhatsApp-Status. Wie oft siehst du, dass dort endlich Feierabend oder Urlaub gepostet wird mit einem Weinglas, einem Cocktailglas, der Bierflasche. Und das ist so normal, dass wir gar nicht merken, wie wir so die Unfähigkeit, unsere Grundbedürfnisse offen einzufordern, total normalisieren. Gerade beim Thema Alkohol ist es so allgegenwärtig. Genauso wie Zucker. Überall ist Zucker drin. Also gerade in verarbeiteten Lebensmitteln. Guckt auf die Zutatenlisten. Überall ist Zucker drin. Und genau wie auch Social Media. Jeder hat ein Handy. Wie du hast kein Instagram? Was stimmt mit dir denn nicht? Hast du das auf TikTok gesehen? Wie, du hast kein TikTok. Es ist das Neue Normal und es macht uns auf Dauer alle krank. Und besonders gefährdet sind wir Frauen. Wenn du zwischen 1975 und 1990 geboren bist, so bummelig, dann leidest du wahrscheinlich wie die meisten von uns unter diesem braven Mädchenmuster. Und der Grund ist unsere Sozialisation. Wir sind Generation X, Generation Y, also Millennials und späte Gen X-Frauen. Wir wurden groß mit den Worten, sei brav, mach dich klein, fall nicht auf, sei ein Liebesmädchen, sei ein braves Mädchen. Und unser Ziel war von klein auf, Bedürfnisse haben keinen Platz, also musste ich sie unterdrücken, damit ich nicht auffalle. Darum haben wir uns bemüht, die ganze Zeit. Uns wurde beigebracht, dass wir unseren Fokus bloß nicht auf uns und auf das, was uns gut tut und was wir brauchen, richten sollen, sondern wir sollen lieber gucken, dass es allen anderen gut geht. Aber was mit uns los ist, dafür war kein Raum. Und die Folge sind Belastung, Stress, heimliche Ersatzstrategien, oft Alkohol, aber eben auch die anderen Muster als Coping-Strategien, um zu überleben, um damit zu leben, dass wir anerkennen mussten, dass unsere eigenen Bedürfnisse keine Berechtigung haben.
Das „brave Mädchen“-Muster im Alltag
Ich glaube, das kennt auch jede Frau, die in der Zeit geboren ist, die Kinder hat, dass wir Ja sagen und dass wir uns auf dem Schulbasar einteilen lassen für die Cafeteria, zum Verkaufen, zum Kaffee ausschenken, dass wir auch noch einen Kuchen backen, obwohl wir eigentlich total am Ende sind, keine Energie mehr haben, eigentlich auch keine Zeit haben, aber irgendwie quetschen wir es noch ein. Oder dass wir unsere Schwiegermutter anlächeln und sie natürlich zum sonntäglichen Kaffee und Kuchen einladen, obwohl wir eigentlich, wenn wir mal genau hinfühlen würden, Zeit für uns bräuchten, Ruhe bräuchten. Und was dann passiert ist, wenn der ganze Tag ist Stress, das, was wir alles gemacht haben, um anderen einen Gefallen zu tun, dann sagen wir abends oder in Momenten, wo Raum dafür da ist, nein, aber eben nicht zu den anderen, sondern zu uns selbst. Wir sagen nein zu uns, indem wir Wein trinken, indem wir mit dem Handy unterwegs sind, indem wir Serien bingen, indem wir uns mit Schokolade vollstopfen. Es ist ein Nein zu uns, es ist ein Nein zu unseren Bedürfnissen, zu unseren Gefühlen, aber eben nicht absichtlich, weil wir Nein zu uns sagen wollen, sondern weil wir es nicht anders gelernt haben, weil wir es nicht besser wissen. Und das ist total wissenswert, dass viele Muster entstehen, eben nicht weil wir willensschwach sind, sondern weil natürlich, als wir Kinder waren, als wir klein waren, Gefühle da waren, wir aber vermittelt bekommen haben, dass sie nicht sein dürfen. Wir haben früh gelernt, stell dich nicht so an, reiß dich zusammen, ist doch gar nichts los. Wir haben unsere Gefühle schon früh verdrängen müssen. Und heute betäuben wir sie dann halt auch noch. Das ist ein reiner Schutzmechanismus. Es ist kein Versagen, schon gar kein persönliches Versagen.
Was unser Nervensystem wirklich braucht
Was wir eben bräuchten stattdessen, und es wäre schön gewesen, wenn wir es von Anfang an gelernt hätten, haben wir aber nicht, was uns wirklich nähert, was unser Nervensystem braucht, um sich zu entfalten, um sich zu entspannen, um wieder in den Grundzustand zu kommen. Das Nervensystem lebt ja aus Anspannung und Entspannung in einem Wechsel. Wenn wir aber dauerangespannt sind, weil wir die ganze Zeit damit auch beschäftigt sind, unsere Bedürfnisse zu ignorieren, dann sind wir am Limit. Was uns wirklich helfen würde, wäre Ruhe. Ruhe und feste Zeiten im Tagesablauf für Pausen, für eine kleine Meditation, für eine Atemübung. Echte Nähe, also tiefe Gespräche mit einer Bezugsperson, Berührung, ein ehrliches Miteinander. Wir bräuchten auch eine Feierkompetenz, dass wir kleine Erfolge bewusst in unserem Tag feiern. Und wenn es nur das Aufstehen am Morgen ist, du bist aufgestanden, feier dich. Und da hilft es am Anfang wirklich so normalo Sachen zu nehmen, die man eh macht, um in dieses Gefühl überhaupt erstmal reinzukommen, sich anzuerkennen dafür, dass man die Sachen macht, die man eh macht. Den Geschirrspüler ausräumen, die Wäsche waschen, die Brotdosen fertig machen. Whatever it is. Und Nein sagen üben. Und zwar nicht Nein zu sich selber sagen, indem man dysfunktionale Verhaltensweisen etabliert, sondern wirklich versuchen zu üben, Nein zu sagen. Ihr braucht noch jemanden für die Cafeteria beim Bazaar? Sorry, dieses Mal bin ich raus, ich kann nicht. Fertig. Nein ist ein vollständiger Satz, es braucht keine Erklärung. Bewegung wirkt antidepressiv. Ich weiß, das ist natürlich etwas, was mit Komfortzone verlassen zu tun hat, aber wenn wir es erstmal machen, das wissen wir auch alle, Wenn wir erstmal Sport gemacht haben, fühlen wir uns hinterher besser als vorher. Und raus in die Natur, alleine schon der Blick nach draußen ins Grüne, der senkt Stress. Und wenn wir es dann noch schaffen, uns wirklich auch in der Natur einen Moment zu bewegen, vielleicht sogar barfuß, dann ist es total näherend für unser Nervensystem.
Konkrete Alternativen im Alltag
Also statt Instagram scrollen, lieber tanzen zum Lieblingslied in der Küche, laut und wild. Statt das Glas Wein fünf Minuten an die frische Luft. Statt Serie anschmeißen, vielleicht mit einer Freundin telefonieren. Wenn die Freundin keine Zeit hat, kann man sich auch selber eine Sprachnachricht schicken und sich selber mal erzählen, was eigentlich gerade bei einem los ist. Das klingt alles relativ banal, aber es ist total wohltuend. Es ist Nahrung fürs Nervensystem.
Reflexionsfrage & Abschlussgedanke
Was ist dein meist übersehenes Bedürfnis? Hast du schon eine Idee? Ich würde mich freuen, wenn du das mit mir teilen magst. Und zum Abschluss mag ich nochmal sagen, Substanzen, ja, es ist egal, ob es jetzt Alkohol ist, THC, Nikotin, Schokolade, Chips, Shorts, Reels, TikToks, Substanzen sind Shortcuts, ja. Sie gaukeln uns vor, dass wir Nähe, Ruhe, Zugehörigkeit bekommen könnten, aber sie nähren uns nicht nachhaltig. Das Bedürfnis, was eigentlich da ist, bleibt. Das können wir durch Substanzen nicht befriedigen. Und es ist jeder Mensch, der Muster hat. Jeder Mensch. Es ist nicht die Frage, ob du irgendein Muster hast, sondern welche Muster du hast. Und wenn wir es schaffen, unsere Bedürfnisse wieder kennenzulernen, dann können wir neue Wege finden, gesunde Wege finden, sie zu stillen. Und dann können wir auch andere damit inspirieren, sich ebenfalls zu zeigen und sich selber auch zu trauen. Wenn wir lernen, unsere Bedürfnisse ehrlich zu sehen und zu befriedigen durch Pausen, durch Verbindung, durch Grenzen setzen, dann verändert sich alles. Und ja, es ist unbequem. Ja, es braucht oft das Überwinden des Schweinehunds. Aber es ist der einzige Weg, der zu echter Fülle führt.
Call to Action & Verabschiedung
Teile diese Folge total gern mit einer Mama, die oft über ihre Grenzen geht, die nicht gut Nein sagen kann, die stattdessen zu viel Ja zu irgendwelchem ungesunden Zeugs sagt. Vielleicht ist das der Moment, der Anstoß, den es braucht, um ehrlich über Bedürfnisse zu sprechen, statt über Betäubung oder statt sich der Betäubung weiterhin hinzugehen. Ich freue mich, dass du dabei warst. Ich freue mich, wenn du mich unterstützen magst, indem du meinen Kanal abonnierst, die Folge abonnierst, indem du mir ein Like da lässt, ein Kommentar da lässt. Also ihr wisst, wie das hier funktioniert, Interaktion ist, das ist der Schlüssel, den es braucht, um diese Message in die Welt zu tragen. Du kannst dazu beitragen, dass dieses ganze Thema dysfunktionale Muster, Coping-Strategien rauskommt aus dieser schambehafteten Ecke, dass wir uns trauen darüber zu reden, dass wir uns trauen zu zeigen, dass wir anderen Frauen auch sagen, du bist nicht alleine, ich kenne das Problem auch, komm dazu, sprich darüber, das ist der erste Schritt zur Heilung und dabei kannst du helfen und wenn du das tust, dann freue ich mich von ganzem Herzen. und ich freue mich auch, wenn du nächstes Mal wieder dabei bist. Bis dahin, alles Liebe, deine Inga
Wer schreibt hier?
Hi, ich bin Inga.
Ich begleite Mütter, die immer alles wuppen, aber sich selbst dabei verlieren – ihre unbewussten Stress- und Konsummuster zu verstehen und nachhaltig zu verändern. Als Frau, die selbst durch die Konsum-Grauzone gegangen ist, weiß ich: Nüchternheit und bewusstes Leben sind keine Einschränkung, sondern der Anfang echter Freiheit.
sober lifestyle & sober parenting
Emotions- und traumasensibles Coaching
Schlafcoaching
Dozentin SleepMaster Academy
