Folge 7 - Akuthilfe bei Triggern

Was Trigger wirklich sind – und 3 Wege, mit ihnen umzugehen

Im Transkript mitlesen:

Und alle reden von Triggern.
Hier ein Trigger, da ein Trigger, das hat mich getriggert, ich wurde hier getriggert, da hat mich jemand getriggert.
Aber was ist denn so ein Trigger überhaupt?

Ein Trigger ist nämlich – wird ja auch gerne mal gesagt – kein Persönlichkeitsfehler.
Es ist halt nicht so: „Ey, die Drama-Queen da schon wieder.“
Hat mit Drama-Queen oft gar nichts zu tun, sondern es ist vielmehr eine konditionierte Alarmreaktion unseres Nervensystems.
Und es gibt drei Hebel oder drei Tools, drei Übungen, mit denen du so eine Akutreaktion – wenn du merkst, du wirst von irgendwas getriggert – wirklich in Minuten spürbar abschwächen kannst.
Und über genau die mag ich heute mit dir reden.


Du bist hier sowas von richtig

Du hast deine Kids relativ spät bekommen.
Du hast keinen Bock auf Perfektionswahn.
Du willst trotz Schlafmangel und dem alltäglichen Mental Overload trotzdem deine Themen angucken?
Konflikte mit deinen Liebsten am allerliebsten immer friedvoll lösen – und bei all dem auch noch den Wechseljahren den Mittelfinger zeigen?
Yes, ich feier dich.
Du bist hier sowas von richtig.

Schön, dass du wieder da bist.
Wir reden heute über Trigger.
Mittlerweile wird das Wort ziemlich inflationär benutzt, wie ich finde.
Alles triggert einen – und ja, es ist aber oft auch was Wahres dran, tatsächlich.
Denn ein Trigger bedeutet nicht immer automatisch, dass es nur ein Trigger sein darf, wenn ich selber eine posttraumatische Belastungsstörung habe, wenn ich selber ein Trauma erlebt habe, was katastrophalen Ausmaßes war – also eine Situation katastrophalen Ausmaßes, die dazu geführt hat, dass ich traumatisiert bin –,
sondern uns können durchaus auch kleine Sachen triggern.
So Alltagsreize können uns triggern.
Und zwar, weil ein Trigger nichts anderes ist als ein Erinnerungsreiz.


Was in dir passiert, wenn du getriggert wirst

Und ich kann das gerne ein bisschen konkreter versuchen, klarzumachen:
Also stell dir vor, du sitzt am Tisch mit deinem Kind und dein Kind wirft zum dritten Mal sein Glas um.
Und du kennst es schon von dir – also wenn dein Kind das Glas umwirft und Saft verschüttet oder Wasser verschüttet, dann macht dich das echt wütend.
Dich macht es sauer.
Und du weißt, dass das eigentlich total bescheuert ist, darüber sauer zu sein, weil dein Kind macht es ja in der Regel nicht mit Absicht.
Und wahrscheinlich hast du auch schon in Social Media, wo auch immer, schon hundert schlaue Posts dazu gesehen und dir auch schon hundertmal fest vorgenommen:
Das nächste Mal, wenn das passiert, dann bleibe ich ruhig.
Dann bin ich ganz Buddha-mäßig, dann hole ich mir ein Tuch und wische es auf und bleibe einfach total in mir ruhend – und es wird mich nicht mehr triggern.

Und dann – ja: dein Kind, zack, Glasinhalt verschüttet – und du bist wie angeknipst.
Das passiert innerhalb von Millisekunden.
Du meckerst sofort los, vielleicht sogar viel heftiger, als die Situation es eigentlich rechtfertigen würde.
Ich meine, hallo, es ist nur ein verschüttetes Glas Wasser!
Aber dein System ist auf 180.
Weil das, was da passiert, ist ein Trigger.
Dein Nervensystem reagiert nicht auf das Glas Wasser.
Du weißt natürlich kognitiv, wenn du rational drauf schaust, dass das überhaupt kein Thema ist, dass so ein Glas Wasser umgekippt ist.
Was passiert, ist, dass da in dir was angeknipst wird, was eine viel, viel ältere Erfahrung ist.

Vielleicht gab es, als du Kind warst, in deiner Familie die Regel – oder es war einfach so –,
dass du dir nicht erlauben durftest, Fehler zu machen.
Weil du vielleicht jedes Mal, wenn du einen Fehler gemacht hast, angemeckert und angeschrien wurdest.
Vielleicht musstest du auf dein Zimmer gehen, vielleicht wurde genervt reagiert, vielleicht hatten deine Eltern kein Verständnis für dich – und das nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder.
Vielleicht sind deswegen Fehler in dir unterbewusst mit Scham verbunden, mit der Erfahrung von Strafe, die du vielleicht erfahren hast.
Und daran erinnert sich dein Körper in den Momenten, wenn dein Kind dann einen „Fehler“ macht.

Dein erwachsenes Ich – also du als erwachsene Person heute –
du weißt, dass dieses verschüttete Glas Milch eigentlich überhaupt gar kein Drama ist.
Aber dein Nervensystem, das in dir drin, das entscheidet innerhalb von Millisekunden.
Da kannst du überhaupt nichts gegen tun.
Alarm. Gefahr.
Und deswegen kommt diese unverhältnismäßige Reaktion.
Und das nicht, weil du ein schlechter Mensch oder weil du eine schlechte Mutter bist,
sondern weil einfach eine alte, tiefe, kindliche Wunde getriggert wird, die früher entstanden ist,
aber jetzt eben durch dieses umgekippte Glas im Hier und Jetzt einmal kurz laut wird.

Und das Ganze wird dann auch noch getoppt, wenn wir sowieso gerade gestresst sind –
weil wir zum Beispiel einen eh schon langen Arbeitstag hatten,
weil du alles mit deinen Kindern alleine regeln musst,
weil du vielleicht alleinbegleitend bist
oder weil du Streit mit deinem Partner hattest – vielleicht um die Care-Arbeit, um die Aufteilung, wie es funktionieren soll oder warum auch immer.
Vielleicht hattest du auch Stress auf der Arbeit mit deinem Chef oder mit einer Kollegin.
Wenn dein System sowieso schon unentspannt ist, dann kickt so ein kleiner Trigger noch mal viel heftiger rein.
Und dann haben wir ganz oft noch viel weniger die Chance, diese mini-mini-mini Lücke zwischen Trigger und zwischen der Reaktion, die dann kommt, wirklich wahrzunehmen – beziehungsweise dann auch gegenzusteuern.
Weil ja, das kann man.
Also man kann diese Lücke wahrnehmen und man kann dann gegensteuern, damit man eben nicht unverhältnismäßig reagiert.
Aber das funktioniert meistens nicht von heute auf morgen.
Und das ist auch okay so. Das darf man üben. Und das kann man üben.


Was Trigger neurobiologisch sind

Trigger sind kleine Situationen im Alltag – oft sind es kleine Situationen im Alltag –,
die dein System in Alarm versetzen, weil es in dir was Tiefes, was Altes, was Verankertes ist.
Neurobiologisch sind es gelernte Verknüpfungen zwischen dem Hinweisreiz und der Gefahr.
Und das passiert in Millisekunden.
Das ist die Amygdala, der Hippocampus, der präfrontale Kortex – dieser Schaltkreis, der legt einfach los.
Da können wir überhaupt gar nichts dagegen tun.
Das ist ganz automatisch, was dann einfach in unserem Körper abläuft.
Aber das ist etwas, was wir gelernt haben.
Das heißt, das ist auch etwas, was wir wieder verlernen können – beziehungsweise was wir umlernen können.
Und das sind eigentlich ziemlich gute News, finde ich.
Auch wenn wir da geduldig sein dürfen, denn das geht nicht von heute auf morgen.
Es dauert ein bisschen, es braucht ein bisschen Übung, aber es ist nichts, was nicht funktioniert.


Die drei Tools für den Akutfall

Also:
Wenn du merkst, da kommt was hoch, da triggert dich was,
dann kommen wir zu Tool Nummer 1,
was ziemlich einfach umzusetzen ist und was wirklich gut funktioniert: Benenne es.

1. Name it to tame it

Im Englischen heißt es „Name it to tame it“.
Also: „Benenne es, um es zu zähmen.“
Wir wollen den Tiger bändigen, der da in uns versucht auszubrechen.
Und es geht im Prinzip ganz einfach:
dass wir leise sagen oder vielleicht auch nur innerlich sagen:
„Ich merke gerade, das macht was mit mir. Ich merke gerade, ich bin getriggert.“
Und dann können wir benennen, was da hochkommt.
Also unsere Emotionen zum Beispiel:
„Ich merke gerade, ich werde richtig wütend. Ich werde richtig sauer.“
Oder: „Ich merke gerade, das macht mir Angst. Ich merke gerade, ich bin überfordert mit der Situation. Ich merke gerade, ich verliere die Kontrolle.“
Oder vielleicht auch: „Ich merke gerade, das beschämt mich. Ich spüre Scham. Oh mein Gott, das beschämt mich hier.“

Also das Benennen, was an Emotionen hochkommt –
und dann auch gerne die dazugehörige Körperreaktion benennen.
Weil meistens gehen diese Emotionen auch mit einer Körperreaktion einher:
„Ich merke Druck auf meinem Brustkorb.“
Oder: „Ich bemerke, dass sich mein Bauch anfühlt, als würde er sich gerade total zusammenziehen.“
Oder: „Ich merke, dass ich eiskalte Hände bekomme“ oder „meine Hände schweißnass sind“.
Was auch immer es bei dir ist – es gibt da kein richtig und kein falsch.
Das, was da ist, ist gerade da.
Und das darf akzeptiert und benannt werden.

Und das Ganze ist wirklich ganz neutral zu benennen.
Es geht nicht darum zu sagen: „Diese scheiß Angst“ oder „diese blöde Wut“.
Sondern einfach nur benennen – nicht bewerten.

Und warum hilft das?
Weil das die Aktivität unserer Amygdala reduziert.
Und die Amygdala ist ja das, was in diesen Stressreaktionen, in diesen Triggermomenten, in unserem Gehirn feuert.
Sie sorgt dafür, dass unser präfrontaler Kortex – also der Teil des Gehirns, der unsere Rationalität ist – hochklappt.
Da, wo wir Dinge verstehen und einordnen können.
Das ist in dem Moment, wenn die Amygdala feuert, nicht mehr da.
Deshalb sagen wir manchmal hinterher: „Ich weiß auch nicht, was mich da gerade geritten hat. Ich konnte nicht anders.“
Liegt daran, dass der präfrontale Kortex nicht mehr verfügbar ist.
Und indem wir anfangen, zu benennen, was in dem Moment gerade ist, beruhigt sich die Amygdala,
der präfrontale Kortex kann wieder zurückklappen,
und wir können die Kontrolle über die Situation wiedererlangen.
Manchmal hilft es auch, die Situation kurz zu verlassen und zu benennen, was wir in dem Moment spüren.
Probier das gerne beim nächsten Mal aus: Name it to tame it.


2. Die Mausatmung

Das zweite Tool, das ich mit dir teilen mag, ist eigentlich sogar meine Lieblingsübung.
Ich bin ja sowieso großer Fan von allem, was mit Atmung und Atemübungen zu tun hat.
Und das ist eine Übung, die einfach überall eingesetzt werden kann, die ganz schnell greift.
Unser Atem ist ja sowieso ein ganz mächtiges Tool, das wir immer dabei haben.
Und diese eine Atemübung funktioniert super.

Wenn du also merkst – wir bleiben mal bei dem Glas, das gerade umgeschüttet wurde –
und du merkst, es macht dich gerade wahnsinnig:
Dann nimm einen Finger, leg ihn unter deine Nase und atme durch die Nase so wenig, dass du die Atmung nicht spürst.
Damit verlangsamen wir unsere Atmung, und diese langsame Atmung macht sofort,
dass unser Nervensystem kippt – aus dem sympathischen Zustand wieder in den parasympathischen.
Gerne dabei länger ausatmen als einatmen.
Und versuch mal so zu atmen durch die Nase, dass du kaum Atemzug an deinem Finger spürst.
Was dann nämlich passiert: Du kannst dich auf nichts anderes mehr konzentrieren außer auf deine Atmung.
Und wenn du das tust, bist du automatisch sowas von im Hier und Jetzt.
Und meistens reicht schon ein bewusster Atemzug, wenn du die Übung richtig machst,
und du merkst sofort, wie dein Körper sich entspannt.

Du kannst dann bewusst deine Schultern entspannen, deine Kiefermuskulatur, deine Wangen, deine Augen.
Und einfach weiter den Finger unter der Nase lassen und atmen.
Wenn es dir gelingt, zehn Atemzüge lang – super.

Warum wirkt das?
Weil dieses lange, rhythmische Atmen das Gleichgewicht unseres autonomen Nervensystems in Richtung Entspannung verschiebt.

Und mit Kindern funktioniert das übrigens auch wunderbar.
Man kann sagen: „Wir machen jetzt die Mausatmung.“
Nimm den Finger unter die Nase und versuche so leise zu atmen,
dass du – kleine Maus – von der Katze, die vor deinem Mauseloch sitzt, nicht wahrgenommen wirst.
Versteck dich vor der Katze, gib keinen Laut von dir, sei mucksmäuschenstill.
Funktioniert super mit Kindern.


3. Die 5-4-3-2-1-Übung

Die dritte Übung ist eine Übung, bei der wir alle unsere Sinne fokussieren.
Vielleicht hast du von ihr schon gehört.
Das ist die 5-4-3-2-1-Übung.
Und auch da ist es wieder so:
Wenn wir merken, dass der Trigger kommt, spüren wir das –
weil sich unser Herzschlag erhöht, unsere Atmung abflacht, Emotionen aufsteigen, Körperempfindungen kommen.
Und dann hilft diese Übung, dich zurück ins Hier und Jetzt zu holen.

5 Dinge, die du siehst.
4 Dinge, die du fühlst.
3 Dinge, die du hörst.
2 Dinge, die du riechst.
1 Sache, die du schmeckst.

Du kannst dich kurz hinsetzen und das für dich machen –
und du wirst merken, wie du dich sofort wieder im Moment verankerst.
Diese Übung holt dich ins Jetzt.
Und du kannst sie laut oder innerlich machen – je nach Situation.

Und das ist der Punkt bei all diesen drei Übungen:
Sie holen dich raus aus der automatischen Reaktion,
zurück in die Realität,
und ermöglichen dir, bewusst zu reagieren –
statt unbewusst zu explodieren.


Was du nach dem Trigger tun kannst

Das waren jetzt die Akutübungen.
Aber klar – es wäre ja schön, wenn es gar nicht jedes Mal so weit kommen muss.
Also: was tun, wenn sich der Sturm gelegt hat?

Dann dürfen wir uns kognitiv einmal neu ausrichten.
Wenn die Reaktion abgeflacht ist, wenn du wieder ansprechbar bist,
dann frag dich:
Was genau wurde hier jetzt eigentlich in mir alarmiert?
Was war der Reiz?
Welche Bedeutung habe ich diesem Reiz gegeben?
Und gibt es vielleicht auch eine alternative, realistische Deutung?
Diese kognitive Neubewertung hilft, dass die Amygdala beim nächsten Mal weniger stark feuert.

Was außerdem hilft: Schreiben.
Journaling – abends ein paar Minuten nehmen und runterschreiben:
Was hat mich getriggert?
Welche Körpergefühle kamen hoch?
Was ist auf der Gefühlsebene passiert, was auf der Gedankenebene?
Und kann ich das Bedürfnis erkennen, das dahintersteckt?

Diese sogenannten Schreibinterventionen reduzieren nachweislich psychische Belastungen.
Und natürlich: Selbstmitgefühl.
Wir sind in so vielen Situationen so unglaublich hart mit uns selbst.
Wir verurteilen uns für unser Verhalten, unser Aussehen, unser So-Sein.
Und es wäre so schön, wenn wir da hinkommen, mehr Mitgefühl mit uns selbst zu haben.
Gerade in diesen Triggermomenten:
„Boah, das ist echt schwer. Aber ich bin damit nicht allein. Ich bin freundlich zu mir. Ich habe das jetzt bemerkt. Ich reflektiere. Ich bin auf dem richtigen Weg.“
Das reicht oft schon.

Und wenn du das Gefühl hast, du wirst häufig oder überwältigend getriggert,
und dein Alltag oder deine Familie leiden darunter –
bitte hol dir Unterstützung.
Traumafokussierte Verhaltenstherapie, EMDR – es gibt wunderbare Therapeuten.
Und das ist oft gar kein jahrelanger Weg.
Gerade bei Entwicklungstrauma können schon kurze, fokussierte Begleitungen helfen.


Abschluss

Wenn dir diese Folge geholfen hat,
speicher sie dir gern,
hör sie dir nochmal an,
teil sie mit jemandem, der das vielleicht gerade braucht.

Und schreib mir gerne:
Was sind Momente, die dich triggern?
Wie geht es dir mit Triggern?
Bist du dir dessen bewusst oder hörst du heute vielleicht das erste Mal davon?

Ich freue mich, wenn du den Podcast abonnierst,
wenn du ihn teilst,
wenn du kommentierst.
Ich mache den Podcast nicht für mich –
ich mache ihn für dich.
Für uns.
Für Austausch.
Für Miteinander.
Für unsere Community.

Und ich freue mich auf nächsten Sonntag,
denn da geht es um die fünf effektivsten Tools bei unserem ganz alltäglichen Mental-Overload-Struggle
wissenschaftlich geprüft und alltagserprobt.

Alles Liebe,
deine Inga.–

Folge #7 – Wie ich mit Triggern umgehe – ein Leitfaden für akute Momente

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