Titelbild Podcast mensch Muddi folge 16 - Einafch mal nihcts tun ist nihct einfach. Über den Rawdogging Trend.

Im Transkript mitlesen:

Rawdogging – die radikale Kunst des Nichts tuns.

Raw Dogging: Was bedeutet das?

Ja, Rawdogging. Rawdogging, der Begriff, kommt ursprünglich aus dem Englischen. Es ist ein Slang-Wort und steht eigentlich für IE ohne Schutz, also ungeschützter Verkehr. Ohne bedeutet es eigentlich. Und genau dieses Bild von ohne, das wurde vor ein, zwei Jahren ins echte Leben übertragen. Auf TikTok, auf Reddit haben Menschen angefangen zu sagen, I am raw dogging this flight. Und was sie meinten ist, dass wenn sie geflogen sind, Langstreckenflüge, dass sie das gemacht haben, ohne Musik zu hören, ohne sich vorher Filme auf ihren Laptop runterzuladen oder auf ihr Handy, ohne dass sie ein Buch mitgenommen haben. Also sie meinten damit, sie haben diesen Langstreckenflug ohne Ablenkung überstanden. I’m raw dogging this flight. Raw Dogging Life könnte man also übersetzen mit, ich gehe durch das Leben ohne Schutz, ohne Ablenkung, ohne mich zu betäuben, ohne Filter, ohne Sedierung, ohne diesen Dopamindauerbeschuss. Also es ist ein Dopamindauerbeschuss, den wir ausgesetzt sind heutzutage in unserer Gesellschaft. Rawdogging bedeutet, ich halte das Leben aus, ich halte es aus, wie es ist, wie es roh da ist. Und ganz ehrlich, dafür braucht es heute, finde ich, echt einen Arsch in der Böcks, wenn man das macht. Also es braucht Mut, weil wir nicht mehr gewohnt sind, ohne Ablenkung zu sein.

Warum Stille so schwerfällt

Unser Alltag ist heute durchflutet von Stimulation. Die Benachrichtigungen, die wir auf unser Handy bekommen, das Scrollen in irgendwelchen Social Media Feeds, reden, planen, konsumieren, produzieren, alles, damit in uns bloß keine Leere entsteht. Aber eigentlich ist es genau diese Leere, die wir ganz dringend brauchen, denn in dieser Leere, in diesem Leerlauf passiert etwas, was wir dringend brauchen, nämlich Integration, Verarbeitung von dem, was wir den ganzen Tag sowieso so erleben und auch Reset. Reset von unserem Gehirn, von der kompletten Reizüberflutung, in der wir ja nun mal leben und die wir auch nicht abgeschaltet bekommen. Das ist auch gar nicht notwendig. Es ist aber notwendig, das Ganze mal ein bisschen wieder in Balance zu bringen. Weil wenn wir das nicht tun, dann können wir Stille nicht mehr aushalten.

Neurobiologie dahinter: Dopamin & Homöostasis

Und das ist neurobiologisch gesehen auch ganz logisch oder auch relativ klar zu erklären. Unser Gehirn liebt Belohnung. Und Dopamin ist dieser Neurotransmitter in unserem Gehirn, der unser Haben-Wollen, der unser Antriebssystem steuert. Und Dopamin reagiert auf jede Art von Reiz. Das ist das Herzchen, was wir auf Instagram bekommen oder verteilen. Das ist der Nachrichtenton, wenn wir eine neue Nachricht auf unserem Smartphone empfangen. Das ist das Knistern beim Öffnen der Chipstüte. Also jedes kleine Ping sagt unserem Gehirn, bleib wach, gleich, gleich passiert was Gutes. Aber das Gute kommt ja tatsächlich oft nicht. Also wenn wir jetzt zum Beispiel mal Kurzvideos nehmen, TikTok oder den Reelsfeed auf Instagram oder die YouTube Shorts, wir scrollen zum nächsten Video, zum nächsten, zum nächsten, zum nächsten, weil das nächste, das könnte ja genau das sein, was uns irgendwie das gibt, wonach wir uns gerade sehen. Spoiler, tut es aber meistens nicht. Und dann haben wir eine halbe Stunde, eine Stunde, zwei Stunden gewischt, ohne die Lösung bekommen zu haben. Und wir fühlen uns danach schlechter als vorher. Beim Scrollen ist es halt nur dieser Kick, dieses Haben-Wollen, was wir immer wieder ankicken, ja? Aber wir bekommen keine Sättigung. Und so drehen wir uns dann quasi im Kreis. Wir scrollen, wir snacken, wir liken, wir konsumieren, weil es kurzfristig sich total gut anfühlt, aber es hilft halt nachhaltig nicht. Es erfüllt uns nachhaltig nicht.

Und wenn wir dann plötzlich an diesen Punkt kommen, und da kommen wir alle früher oder später mal hin, das weiß ich, dass wir sagen, was mache ich hier eigentlich? Ich schalte jetzt das mal ab, ich lege mein Handy beiseite. Dann entsteht plötzlich so ein Loch. Unser Dopamin fällt ab. Unser System schreit immer nach Balance. Homöostasis, das, wonach wir alle streben. Und wenn wir Dopamin uns die ganze Zeit geben und wir lassen es dann einfach bleiben, Handy weg, dann kippt es in die andere Richtung, weil wir uns die ganze Zeit Dopamin, Dopamin, Dopamin gekickt haben und dann kippt es in die andere Richtung, weil wir wieder eigentlich ins Gleichgewicht wollen. Und dieses Kippen in die andere Richtung ist unser Verlangen, unser Schmerzsystem, das ist unser System, was dann plötzlich schreit. Mach was, mach was, tu was, tu bitte, bitte, bitte irgendwas. Es fühlt sich an wie ein Entzug. Und wir nennen das dann, ich weiß überhaupt nichts mehr mit mir anzufangen jetzt gerade, mir ist langweilig. Teenager, vor allem Teenager, sagen, oh, mir ist jetzt langweilig. Ich weiß überhaupt gar nicht, was ich machen soll, wenn ich das Ding jetzt beiseite gelegt habe, wenn ich den Rechner ausschalten sollte. Langweilig. Aber das, was wir Langeweile nennen, ist in Wahrheit Entwöhnung. Unser Nervensystem kommt runter, unser ganzes System möchte wieder in die Balance kommen und das fühlt sich am Anfang wie ein echter Schmerz an. Es fühlt sich an wie Leere und das ist halt total schwierig, das auszuhalten, aber wir müssten es eigentlich aushalten, um wieder in die Homöostase, um in die echte, wahrhaftige Balance zu kommen.

Das Experiment: Schmerz statt Stille

Es gibt ein total spannendes und gleichermaßen erschreckendes Experiment, was ich dir gerne erzählen mag. Das zeigt ziemlich gut, wie schwer wir es wirklich aushalten, nichts zu tun oder einfach mit uns zu sein. Das Experiment ist schon gute zehn Jahre alt und es hat in Amerika stattgefunden. Und da gab es Testpersonen, mehrere Testpersonen, die wurden gebeten, alleine einzeln in einem leeren Raum zu sitzen. Eine Viertelstunde lang. Das war ein Raum, in dem gab es nichts außer einem Stuhl. Es gab keine Musik, kein Handy, kein Buch, keine Ablenkung. Es gab diesen Stuhl und es gab einen Tisch mit einer Sache drauf. Und das haben sie den Leuten vorher erklärt. Auf diesem Tisch, da ist so ein Knopf, so eine kleine Apparatur. Und wer den drückt, bekommt einen leichten Elektroschock versetzt. Nicht gefährlich, aber unangenehm, also sogar tatsächlich schmerzhaft. Und sie haben den Teilnehmern auch einmal gezeigt, also sie spüren lassen, wie unangenehm das wirklich ist. Und alle haben gesagt, auf gar keinen Fall werde ich mir gleich, wenn ich da drin bin, freiwillig so einen Schock versetzen. Warum sollte ich das tun? Das fühlt sich richtig unangenehm an, mache ich nicht. So, und dann wurden sie nacheinander in diesen Raum gelassen und sollten da halt 15 Minuten sein. Und was ist passiert? 67% der Teilnehmer haben angefangen, nach nur ein ganz paar Minuten sich selbst Stromstöße zu verpassen. Ein Mann hat sogar den Knopf 190 Mal betätigt. Das ist ein Schock alle 4 Sekunden. Und warum haben sie das gemacht? weil sie nicht in Stille mit sich selbst sein konnten. Die Studie verlinke ich dir in den Shownotes. Kannst du selber nochmal nachschauen, wenn du magst. Und die Forschenden, die haben dazu geschrieben, viele Menschen würden sich lieber selbst Schmerz zufügen, als allein mit ihren Gedanken zu sein. Und das erlebten wir alle. Also jeder von uns erlebt es tagtäglich. Wir checken unser Handy, obwohl wir es eigentlich gar nicht wollen. Ja, es ist schon so ein Automatismus und es ist nichts anderes eigentlich als dieser kleine Stromschlag. Es ist so ein Mini-Impuls gegen die Stille, auch wenn er in dem Moment uns keinen wirklich physischen Schmerz zufügt. Wir halten aber Stille nicht aus, weil sie uns eben mit uns selbst konfrontiert, mit dem, was wir fühlen, was wir vermissen, was wir verdrängen. Wir wollen uns damit nicht auseinandersetzen, weil es halt anstrengend ist. Aber genau da liegt die Chance zur Heilung.

Warum Nichtstun heilsam ist: Default Mode Network

Nichtstun ist ein heilsamer Prozess. Denn wenn wir uns trauen, und ich finde es nach wie vor wirklich unfassbar mutig, wenn wir es wirklich machen, nichts zu tun, dann passiert in unserem Gehirn was Magisches. Es ist der Default Mode Network, der aktiv wird. Das ist ein neuronales System, das in unseren Ruhephasen arbeitet. Und dann werden Erfahrungen, die wir gemacht haben, integriert. Es werden Erinnerungen verarbeitet. Es werden emotionale Zustände reguliert. Das heißt, wenn wir nichts tun oder, wie wir es heute sagen, wir uns zu Tode langweilen, dann hat unser Gehirn die Chance aufzuräumen. Weil wir es aber selten tun, weil wir ständig beschäftigt sind oder uns selbst beschäftigt halten, kommt es viel zu selten dazu. Das heißt, wir leben mit einem mentalen Datenmüll in unserem Kopf und das nennen wir dann Produktivität oder beschäftigt sein.

Übung: 10 Minuten rawdoggen (geführt)

Ich mag mit dir zusammen rawdoggen. Wir üben das einfach mal. Es gibt kein Ziel. Es gibt einfach nur die Möglichkeit, jetzt einmal zu sein. Nur du, dein Atem, dein Körper, nichts weiter. Und das machen wir jetzt mal gemeinsam, wenn du magst, für 10 Minuten. Und je nachdem, wo du unterwegs bist. Also wenn du jetzt gerade im Auto sitzt, musst du natürlich Auto fahren. Ansonsten kannst du dir vielleicht gerade eine Pause gönnen. Zehn Minuten machen wir. Also vielleicht machst du kurz auf Pause, suchst dir einen Ort, wo du zehn Minuten sein kannst. Vielleicht machst du es dir auf der Couch gemütlich. Oder wenn die Sonne gerade draußen scheint, gehst du vielleicht auch für zehn Minuten nach draußen in die Sonne. Oder setzt dich an den Küchentisch, wo auch immer du das machen magst. Es geht auch dabei, spazieren zu gehen. Man kann auch 10 Minuten Spazier-Doggen. Da ist es dann halt wichtig, dass du wirklich auch beim Spazierengehen nichts anderes tust. Ganz oft haben wir ja das Gefühl, beim Spazierengehen auch noch irgendwas konsumieren zu müssen und haben Stöpsel in den Ohren und hören einen Podcast oder Musik oder ein Hörbuch oder was auch immer. Aber es geht hier wirklich darum, nichts zu tun. So viel nichts wie möglich zumindest. Also, mach gerne auf Pause, such dir einen ruhigen Spot und dann nehmen wir uns 10 Minuten Zeit. Ich stelle hier einen Timer. Auf 10 Minuten stelle ich mir hier hin. und dann mach am besten dein Handy noch auf. Lautlos, versuche so ungestört wie möglich zu sein, wenn es gerade geht, dass dich keine Kinder oder Haustiere stören und dann kannst du, wenn du magst, kurz die Augen schließen, kurz einmal ankommen und dann machen wir jetzt einfach 10 Minuten nichts auf die plätze fertig los Versuch locker zu sitzen, Schultern runter, Kiefer locker. Und schau dich auch gerne da, wo du bist, mal um und mal wahr, wo du bist. Das ist ja auch etwas, was wir oft gar nicht mehr machen. Wie sieht es hier eigentlich aus? Und dann ist einfach der Job, nichts zu tun, zu beobachten, was da ist, was um dich rum ist, was in dir ist, welche Gefühle hochkommen. Zwei Minuten haben wir um. Wahrscheinlich hast du schon so einen Impuls gespürt, dass du was machen willst oder dass du überlegst, was machst du gleich als nächstes. Oder dass vielleicht auch so Gedanken kommen wie, was für ein Blödsinn, ich habe doch eigentlich noch auf meiner To-Do-Liste. Das ist dein Dopaminsystem, das ist diese kleine Stimme, die Stimulation will. Atme ein und aus, sag dir innerlich, ich schaffe das, ich kann das. Spür einfach deinen Körper. Schau dich um in deinem Zimmer oder draußen, wo auch immer du gerade bist. Wir haben Halbzeit. Fünf Minuten haben wir geschafft. und wir werden weitere 5 Minuten aktiv nichts tun ich weiß nicht wie es dir geht ich finde das fühlt sich super an das mit gerne deine Gedanken auch dazu da aber erst nach den 5 Minuten 5 Minuten tun wir jetzt noch zusammen gemeinsam nichts Nimm zum Abschluss gerne nochmal einen ganz bewussten Atemzug durch die Nase ein, durch die Nase wieder aus. Und fühl einfach nur mal, spür einfach nur mal nach, wie sich das angefühlt hat, welche Impulse du hattest in diesen 10 Minuten, welchen Impulsen du widerstehen musstest, vielleicht doch das Handy in die Hand zu nehmen oder dich um die Wäsche zu kümmern oder den Geschirrspiel auszuräumen oder was auch immer. Und teile total gerne deine Erfahrungen. Also ich finde es ganz spannend zu hören, wie dir das damit geht, wenn du dich ganz bewusst dem Nichtstun einmal hingibst.

Regelmäßig üben & warum das wirkt

Und wenn du das regelmäßig übst, jeden Tag, es muss überhaupt gar nicht lang sein, 5 Minuten, 10 Minuten, dann findet Veränderung statt in deinem Gehirn, in deinem Nervensystem. und dein Nervensystem lernt, dass Stille sicher ist, dass du vor nichts fliehen musst, dass du einfach sein darfst, da sein darfst und das ist kein Trend. Also auch wenn Raw Dogging so ein kleiner Minitrend in Social Media ist, was auch irgendwie ein bisschen absurd ist, dass das ein Trend in Social Media ist, aber so ist es ja oft mit diesen ganzen Detox-Trends, die es da so gibt, was die digitalen Social Media Geschichten angeht. Ja, ich finde, das ist kein Trend. Ich finde, das ist etwas, was uns, weil wir eben Menschen sind, unglaublich entspricht, wenn wir schauen, wo wir evolutionär herkommen und wie wir dort im Einklang mit der Natur viele, viele Jahre gelebt haben. Es ist ja eher so ein Wimpernschlag der Evolution, wenn wir uns anschauen, was sich in den letzten 200 Jahren mit dem technischen Fortschritt getan hat, mit der Industrialisierung, dass es gar nicht verwunderlich ist, dass wir das eigentlich gar nicht können, mit diesen ganzen Reizen umzugehen. und dass wir bewusst etwas brauchen, um da wieder hinzukommen in diese Natürlichkeit, in das, was unser Nervensystem und was unser Gehirn eigentlich braucht.

Einladung: 7-Tage-Dopamin-Detox-Mini-Kurs

Und wenn du jetzt so ein Gefühl hast von, ja, da ist irgendwie was dran und wenn du Lust hast, das ein bisschen zu vertiefen, wenn du mal noch mehr reinspüren möchtest über einen längeren Zeitraum, dann hol dir total gerne meinen kostenlosen 7-Tage-Dopamin-Detox-Mini-Kurs. Das sind 7 E-Mails, die du dann von mir geschickt bekommst. Ich verlinke dir das gerne hier in den Shownotes, dass du dich da anmelden kannst. Und dann bekommst du das zugeschickt, ganz unverbindlich. Und da lernst du auch schon in 7 Tagen Schritt für Schritt, wie du dein System runterfahren kannst, wie du deine Muster erkennst, deine Trigger erkennst. Für die einen ist es der Griff zum Handy, für die anderen ist es das abendliche Glas Rotwein oder der Shopping-Marathon oder die Tüte Chips oder die Tafel Schokolade. Es geht ja darum zu erkennen, was sind meine Trigger und was sind meine Muster, wie kann ich sie so durchbrechen, dass dadurch echte Selbstfürsorge entstehen kann und wir wieder in echten Kontakt zu uns selbst kommen können

Abschluss

Und wenn diese Folge was mit dir gemacht hat und du das Gefühl hast, ja, das ist cool, wenn du jemanden kennst, der das brauchen könnte, der auch ganz schwer in Stille mit sich sein kann, der immer abgelenkt ist oder die, ja, wahrscheinlich, die Angst vor Ruhe hat, dann teile diese Folge super gerne, weil manchmal ist wirklich das Mutigste, was wir tun können, gar nichts. Und das ist eine Botschaft, die in die Welt getragen werden darf und ich freue mich, wenn du mich dabei unterstützen magst. alles Liebe und bis zum nächsten Mal deine Inga das war Mensch Mutti so schön, dass du dabei warst.

# 16 – Rawdogging – Die radikale Kunst, einfach mal gar nix zu tun

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